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Effekte von binauralem Jitter auf die Wahrnehmung von interauralen Laufzeitdifferenzen bei Hörgeschädigten

Anna-Katharina Könsgen

Diplomarbeit (pdf. 43000 KB)

Interaurale Laufzeitdifferenzen (ITD = engl. interaural time difference) sind relative Unterschiede bezüglich der Laufzeit des Schalls zwischen beiden Ohren, wenn sich eine Schallquelle außerhalb der Medianebene befindet. ITD ist wichtig für die Richtungslokalisation von Schallquellen.

Die maximale ITD tritt bei Schallquellen auf, die sich genau seitlich (90°) zum Kopf befinden, und beträgt ca. 660μs bei einer Frequenz von 1.6 kHz. Die JND (engl. just noticible difference) für ITD eines Signals im normalen Gehör liegt unter optimalen Bedingungen im Bereich von 10 µs (Blauert, 1997).

Es werden zwei verschiedene Arten von ITD Information unterschieden, welche vom auditorischen System verarbeitet werden: Erstens, die ITD Information in der schnell variierenden Feinstruktur einer Schallquelle für Frequenzen unterhalb von 1.5 kHz, welche eine bedeutende Rolle für die Schalllokalisation und Sprachverständlichkeit spielt (Smith, et al., 2002; Wightman and Kistler, 1992; Mcpherson and Middlebrooks, 2002). Zweitens, die ITD Information in der langsam variierenden Hüllkurve für Frequenzen oberhalb von 1.5 kHz, welche zur Schalllokalisation beiträgt (Mcpherson and Middlebrooks, 2002; Henning, 1974).

Verschiedene Studien zeigten, dass Hörgeschädigte im Vergleich zu Normalhörenden eine reduzierte Sensitivität für ITD aufweisen und dass die ITD Sensitivität stark zwischen verschiedenen Personen variiert (z.B. Koehnke and Besing, 1997). Eine Studie fand eine positive Korrelation zwischen dem Grad des Hörschadens und der ITD Sensitivität (Hawkins and Wightman, 1980), während andere Studien keine solche Korrelation feststellen konnten (siehe Appendix).

Wir stellen die Hypothese auf, dass die limitierte ITD Sensitivität bei Hörgeschädigten mit dem Phänomen der „binauralen Adaptation“ zusammenhängt. Binaurale Adaptation wurde im normalen Gehör bei hochfrequent-gefilterten Pulsketten nachgewiesen. Während sich bei niedrigeren Pulsraten die ITD Sensitivität bei steigender Signaldauer verbessert, entsprechend einem Model der zeitlichen Integration der ITD Information, tritt eine solche Verbesserung bei hohen Pulsraten nicht auf (Hafter and Dye, 1983). Binaurale Adaptation hat einen solch starken Effekt auf die ITD Wahrnehmung bei hohen Pulsraten, dass der Beginn eines Schallereignisses maximale perzeptive Gewichtung hat, während das fortlaufende Signal nur wenig zur Wahrnehmung beiträgt (Saberi, 1996; Stecker and Hafter, 2002).

Weitere Studien zeigten, dass die Einführung von Zufälligkeit (Jitter) in der zeitlichen Struktur der Stimulation die ITD Sensitivität sowohl bei Cochleaimplantatträgern (Laback and Majdak, 2007) als auch bei Normalhörenden verbessert (Laback et al., 2008). Um ITD zu bewahren, muss diese Zufälligkeit zwischen den beiden Ohren synchronisiert sein und wurde als binauraler Jitter bezeichnet. Der Jitter hatte eine Gleichverteilung, wobei der Parameter K die Breite der Verteilung definiert und somit die Stärke des Jitters bestimmt. K wurde als relativer Parameter zum nominalen Interpuls Interval definiert und reicht von 0 (periodische Bedingung, kein Jitter) bis 1 (maximaler Jitter).

Diese Studie prüft die Hypothese, dass auch Hörgeschädigte von binauralem Jitter bei der Wahrnehmung von ITD profitieren. Die bisher bei Normalhörenden durchgeführten Experimente verwenden hochfrequent-gefilterte Pulsketten. Diese Studie wird auch Frequenzen unterhalb von 1.5 kHz inkludieren unter der Annahme, dass der Effekt von binauralem Jitter auch bei Frequenzen wirksam ist, die für die Feinstruktur-ITD Wahrnehmung relevant sind. Diese Annahme ist dadurch begründet, dass die positive Wirkung von binauralem Jitter bei Cochleaimplantatträgern an tonotopen Positionen und bei Pulsraten beobachtet wurde, die mit diesen niedrigen Frequenzregionen assoziiert sind (Laback and Majdak, 2007).

Zur Überprüfung der Hypothese werden fünf bis zehn hörgeschädigte Versuchspersonen (VP) mit einem flachen, moderaten und cochleären Hörverlust getestet. Die ITD Sensitivität wird unter Verwendung einer links/rechts Unterscheidungsmethode gemessen. Die VP gibt dabei die wahrgenommene laterale Position des Zielstimulus relativ zu einem zentrierten Standardstimulus an. Der Stimulus ist eine bandpassgefilterte Pulskette.

Es werden folgende unabhängige Variablen getestet:

  1. Frequenzregion (hoch-frequente bandpassgefilterte Pulsketten; tief-frequente Sinustöne) 2. Stärke des Jitters (k) 3. ITD 4. Pulsrate (Pulse pro Sekunde, pps).

Alle Experimente werden mit dem Softwareframework “ExpSuite” durchgeführt, welches am Institut für Schallforschung an der Akademie der Wissenschaften entwickelt wurde. Ein Teil der Software wurde schon in vorhergehenden Studien verwendet, während für diese Studie neue Routinen programmiert werden müssen. Zum Beispiel haben Hörgeschädigte mit cochleärer Hörstörung meist unterschiedliche absolute Hörschwellen auf den beiden Ohren. Deshalb ist es wichtig, dass die interaurale Pegeldifferenz des Stimulus angepasst wird, so dass ein zentralisiertes akustisches Ereignis resultiert. Für diesen Zweck wird eine spezielle experimentelle Prozedur benötigt, die entwickelt und in ExpSuite implement werden wird.


Last modified 12.03.2009