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Das Ohr als Messinstrument: Wahl-Gesänge und andere Klänge

Die Presse, 21. Oktober 2008

JULIA SCHÖLLAUF

Während Bilddarstellungen von Messdaten auf drei Dimensionen beschränkt sind, kann unser Ohr viele Parameter gleichzeitig wahrnehmen.

Haben Sie schon gehört, wie Österreich gewählt hat? Diese Frage nimmt man am Institut für Elektronische Musik und Akustik (IEM) der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz wörtlich. Die Wahlergebnisse lassen sich nicht nur in Säulen- und Tortendiagrammen darstellen, man kann sie auch anhören. Und zwar mithilfe von Sonifikation, mit der sich ein interdisziplinäres Forscherteam am IEM beschäftigt.

Das Ohr ist ein sehr genaues Messinstrument und in der Lage, wesentlich mehr Parameter gleichzeitig wahrzunehmen, als es das Auge kann. Diesen Vorteil macht man sich zunutze, um Informationen in Daten zu finden, die sich durch Visualisierung nicht so leicht erschließen lassen. Indem man Datenstrukturen in nichtsprachliche, hörbare Signale transformiert, können Zusammenhänge erfasst werden. Der Begriff der "Sonifikation" wurde 1992 von Gregory Kramer geprägt, und seit einigen Jahren beschäftigt man sich in Graz mit dieser Methode, die für viele Bereiche anwendbar ist. Im Rahmen des Projekts SonEnvir (Sonification Environment), das von 2005 bis 2007 lief und vom steirischen Zukunftsfonds gefördert wurde, arbeiteten alle vier Grazer Universitäten zusammen. Dadurch wurden sehr verschiedene Datenstrukturen hörbar gemacht.

Am direkten Weg ist dies möglich, wenn die Daten eine Zeitreihe sind, wie es beispielsweise bei EEG-Daten, der Messung von Gehirnströmen, der Fall ist. Diese Methode wird Audifikation genannt. An der Universitätsklinik für Neurologie des Grazer Landeskrankenhauses werden routinemäßig oft EEGs von über zwölf Stunden Dauer gemacht, die optisch aufgezeichnet werden. Eine Durchsicht dauert entsprechend lang und ist sehr anspruchsvoll. Diese Diagramme lassen sich direkt in akustische Wellen transformieren. "Wenn man sich das anhört, ist man in fünf Minuten fertig", erzählt die Forscherin Katharina Vogt.

Ist die direkte Übertragung nicht möglich, bedient man sich des sogenannten Parameter Mappings. Dabei werden bestimmten Datendimensionen Klangparameter wie Tonhöhe, Lautstärke, Rhythmus oder Klangfarbe zugeordnet, wodurch Strukturen hörbar werden. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel Landschaften darstellen – und Wahlergebnisse.

Nicht immer geht es jedoch so anschaulich zu. Auch abstrakte Daten kann man sonifizieren. Was schon im Rahmen von SonEnvir begonnen wurde, findet nun seine Fortsetzung in einem vom Translation Research Program geförderten Projekt des FWF: Mithilfe von Sonifikation werden Daten aus der Gitter-Quantenchromodynamik (QCD) des Instituts für Physik der Universität Graz analysiert.

Die QCD ist die Theorie der kleinsten bekannten Elementarteilchen – der Quarks und Gluonen. Die dabei verwendeten vierdimensionalen Datensets lassen sich nur unzureichend visualisieren, da das Auge auf zwei bis drei Dimensionen beschränkt ist. Wenn man jedoch die Gitterpunkte in Klänge verwandelt und so durch das Objekt geht, nimmt das Ohr immer alle Nachbarpunkte gleichzeitig wahr, was das Auge nicht kann. "Im Zeitverlauf fällt alles auf", erklärt Vogt.

Ein geschultes Ohr ist allerdings notwendig, um aus den piepsenden und grummelnden Klängen, die tatsächlich öfter an die Gesänge der Wale erinnern, Unterschiede herauszuhören – was der Hobby-Musikerin Vogt nicht schwerfällt. Und auch, wenn manche Forscher diese Methode kritisch betrachten – "Es ist doch viel spannender, neue Wege zu probieren, um Zusammenhänge zu erkennen", findet Vogt.

Was haben also die Wahlergebnisse und die Daten aus der theoretischen Physik gemeinsam? Sie können manchmal ähnlich klingen.

AUF EINEN BLICK

Sonifikation ist eine Methode, um in Daten Informationen zu finden, die durch Visualisierung nicht leicht erkennbar sind. Dabei werden Datenstrukturen in nicht-sprachliche hörbare Signale umgewandelt.

In Graz arbeiteten alle vier Universitäten an dem Projekt "SonEnvir" (Sonification Environment) mit.

(c) ("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2008)

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Last modified 27.10.2008