House of Sounds
1992/1996/
Auftrag des musikprotokoll
1996, UA
Auftrag des musikprotokoll
Jochen Traar
ART PROTECTS YOU Graz 1996
1996
Auftrag des musikprotokoll
Im Radio: live in Österreich 1, Kunstradio und Zeit-Ton, 22. 22 Uhr (Sodomka) und Zeit-Ton, 23. 00 Uhr, 3. 12. 1996 (Ritsch)
Andrea Sodomka Diaphonie #1
Klanginstallation für Radio, Printmedien, Internet und Realraum
"Diaphonie ist die Vermischung zweier Signale, die aus verschiedenen Übertragungskanälen stammen und eigentlich getrennt werden sollen: Übersprechen beim Telephonieren oder Unterhaltung in einem angrenzenden Zimmer."
(Abraham A. Moles, Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung, Köln: DuMont, 1971)
"Der zweite Entwicklungsabschnitt der Musik ist die polyphone Musik des Mittelalters. Gewöhnlich wird als die zuerst erfundene vielstimmige Musik das sogenannte Organum oder die Diaphonie angeführt, wie sie der flandrische Mönch Hucbald im Anfang des 10. Jahrhunderts zuerst beschrieben habe. Dabei sollen zwei Stimmen in Quinten oder Quarten nebeneinander hergegangen, zuweilen auch Verdoppelungen einer oder beider in der Oktave hinzugefügt sein. Es gibt dies eine für uns unerträgliche Musik. Nach O. Paul1 hat es sich dabei aber nicht um eine gleichzeitige Ausführung beider Stimmen gehandelt, sondern um eine beantwortende Wiederholung einer Melodie in transponierter Lage, und Hucbald wäre somit als der Erfinder dieses später in der Fuge und Sonate so wichtig gewordenen Prinzips anzusehen."
1)Geschichte des Klaviers. Leipzig 1868 S. 49.
(Hermann von Helmholtz, Die Lehre von den Tonempfindungen, Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag, 1983)
Diaphonie [gr.-lat.] die; -, ...ien: 1. Mißklang, Dissonanz in der altgriechischen Musik. 2. = Organum (1).
Organum [gr.-lat.] das; -s, ...gana: 1. älteste Art der Mehrstimmigkeit, Parallelgänge zu den Weisen des > Gregorianischen Gesanges.
Diaphanie die; -, ...ien: durchscheinendes Bild.
Diaphanität [gr.-nlat.] die; -: Durchlässigkeit in Bezug auf Lichtstrahlen (Meteor).
Diasystem [gr.; gr.-lat.] das; -s, -e: [übergeordnetes] System, in dem verschiedene Systeme in Abhängigkeit voneinander funktionieren (Sprachw.).
(Duden Fremdwörterbuch, Mannheim, wien, Zürich: Duden Verlag, 41982
Stimme #1: Radio - diaphon (Huber, Math, Sodomka)
Stimme #2: Installation - diaphon
Stimme #3: Printmedien - diasystemisch (Ranzenbacher)
Stimme #4: Internet - diaphon /diaphan / diasystemisch
Andrea Sodomka
Die Produktion:
Diaphonie #1
Klanginstallation für Radio, Printmedien, Internet und Realraum
Mit: Heimo Ranzenbacher und Rupert Huber
Tontechnik: Norbert Math, Anton Reiniger, Harald Domitner
Sounddesign: Norbert Math
Koproduzenten: ORF Kunstradio, Institut für Elektroakustik Hochschule für Musik Wien, Institut für elektronische Musik Hochschule für Musik Graz
Eine Sodomka/Breindl Produktion 1996
Winfried Ritsch The House of Sounds - SoundLives
Datennetz - Experiment - Installation
20. 11. 1992 - 12. 10. 1996
Klangobjekte befinden sich in einem Datennetz und werden dort von Computern beherbergt. Besucher (User) des Computers können mittels des Programms "The House of Sounds" in diese Klangwelt hineinhören und sie dadurch auch beeinflussen. Diese Klangobjekte altern, können sich eigenständig von Computer zu Computer bewegen, Gruppen bilden, sich vermehren oder auch sterben. Die Lebensgrundlage sind über ein Datennetz zusammengeschlossene Computer, in der die Programme "The House of Sounds" installiert werden. SOUNDLIVES findet im Datennetz statt._Dieses Experiment ist der Versuch, Klangobjekte als unabhängige Datenmengen selbständig in einem Datennetz wandern zu lassen und die Überlebensmöglichkeit dieser zu ergründen. Die Computerbenützer sind Beobachter und Pfleger.
Enstanden im Klangatelier Algorythmics und am Institut für Elektronische Musik, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz.
Vorwort: Das Material der Kommunikation ist die Information. Kommunikation ist der Austausch von Information, der im Zeitalter der Computernetzwerke zunehmend automatisiert gehandhabt wird. Damit kann es sein, daß Information sich zunehmend verselbständigt und nicht mehr vom Informationsgenerator kontrolliert werden kann. Wird die Automatisation von Entscheidungen der Benutzer zunehmends unabhängig, kann ein System sich verselbständigen unter der Voraussetzung, daß es genügend lebenserhaltende Mittel zu Verfügung hat. Hier soll ein künstlicher Lebensbereich für Klangdaten geschaffen werden, der möglichst unabhängig von direktem Eingriff seiner Quelle sein sollte. Es ensteht eine eigene Soziologie von Klangobjekten, die vordefinierten Gesetzen ausgeliefert sind. Der Mensch wird zum Rezipienten dieser Welt.
Als Elemente werden Klangobjekte gewählt, die zusätzlich ein ''Gedächtnis'' in Form von Attributen und Merkmalen besitzen und im weiteren als SOUNDLIVE bezeichnet werden. (Die Klangobjekte/SOUNDLIVES sind nicht einfach digital gespeicherte Klänge, sondern jeweils eigene Programme, denen diese Attribute als Information eingeschrieben sind. Daher sind die Klangobjekte/SOUNDLIVES in der Lage, im Datennetz zu kommunizieren. Auf diesem elektronischen, automatisierten Informationsausstausch der Klangobjekte/SOUNDLIVES untereinander beruht diese Arbeit.) Diese Klangobjekte/SOUNDLIVES zusammen ergeben eine Klangwelt, die in entsprechender Form rezipiert werden kann. Die SOUNDLIVES als Information verselbständigen sich und damit auch die Kommunikationswege und -strukturen.
Kommunikationstrukturen verändern sich mit der Umwelt und lassen heutzutage verschiedene Kulturen verschmelzen. Damit ist SOUNDLIVES der multikulturellen Vermischung sowie Differenz gewidmet.
Das System: SOUNDLIVES, die auch repräsentativ für den jeweiligen Ort der Einspeisung sein sollen (Realkänge aus der Umgebung oder Sprachelemente), befinden sich in einem Datennetz, wo sie zu überleben versuchen. Je öfter sie angehört werden oder je öfter sie mit gleichartigen SOUNDLIVES in Kontakt treten, desto größer wird ihre Chance, ein hohes Alter zu erreichen. "The House of Sounds" ist ein Programm, das den Lebensbereich für diese SOUNDLIVES steuert und kontrolliert. Für den Benutzer stellt dieses Programm ein Fenster zu diesem Lebensbereich dar. Es ist das softwaremäßige Interface zur Realwelt. Es können mit der Zeit SOUNDLIVES aus verschiedenen Orten in einen Computer mit diesem Programm übersiedeln und somit die Klangvielfalt des "The House of Sounds" erweitern. Es bietet den SOUNDLIVES auch die Möglichkeit, sich zu vermehren. Somit bekommen diese SOUNDLIVES die Eigenheiten von selbständigen Wesen, die sich in ihrer Lebensumgebung (dem Datennetz ) bewegen können. Der Benutzer des Programms hat nicht die Möglichkeit, in die Wanderungen und ''Gewohnheiten'' der SOUNDLIVES unmittelbar einzugreifen. Aber der Benutzer beeinflußt durch sein Verhalten, beispielsweise sein Interesse für bestimmte Klänge, deren weitere Existenz. Der Benutzer kann jeden Tag "The House of Sounds" besichtigen, um zu erkunden, welche Klangobjekte noch vorhanden sind und welche neu angekommen sind oder erzeugt wurden. Je mehr Host-Computer mit "The House of Sounds" sich dabei beteiligen, desto interessanter wird jedes "The House of Sounds" und je verschiedener die Orte sind, desto ''farbenreicher'' wird es.
Die Spielregeln: Klänge sind in der Welt der Datennetze in Dateien digital aufgezeichnete Signale. Diese können mit Soundeditoren erstellt und bearbeitet werden. Die Generationsregeln der Klänge und deren Zusammenstellung inklusive der Klangdaten in Form von Mikrokompositionen werden im weiteren als "Klangobjekt" bezeichnet._- Klangobjekte werden mit Attributen (veränderliche Daten), wie z.B. Alter, Energie usw. und Merkmalen (fixe Daten) wie etwa Name, Ursprungsort, Charakter, usw. versehen und damit zu SOUNDLIVES gemacht._- Es gibt mindestens einen Host-Computer in dem "The House of Sounds" installiert wurde. Dieser Host-Computer ist der Ort, wo SOUNDLIVES in das Datennetz ausgesetzt und in weiterer Folge angehört werden können. Sind mehrere Host-Computer mit "The House of Sounds" vorhanden, so stellen sie die potentiellen Heime für die SOUNDLIVES dar und sollten untereinander vernetzt sein, damit die SOUNDLIVES zwischen den Host-Computern wandern können. (Dies bedeutet, daß immer eine Liste der umgebenden Host-Computer in einem Host-Computer als Klangpfade vorhanden sein muß = ''Map of the known world''). Diese Verbindungen stellen den ''Lebensbereich'' der SOUNDLIVES dar und bilden eine ''Landkarte'' mit verschiedenen Wegen.
Jeder Besucher (user) eines Host-Computer kann sich nun die SOUNDLIVES mittels "The House of Sounds" anhören und feststellen, welche SOUNDLIVES gerade in diesem "The House of Sounds" vorhanden sind. Dies geschieht in Form einer automatischen Komposition, die wie ein Radio ''endlos'' die SOUNDLIVES abspielt. Zusätzlich hat der Hörer die Möglichkeit, gezielt einzelne SOUNDLIVES abzuhören und sie damit zu beeinflussen. Mit jedem "The House of Sounds" wird eine Anzahl von SOUNDLIVES im System ausgesetzt. Diese SOUNDLIVES repräsentieren dieses "The House of Sounds" und tragen die Nachricht von der Existenz des "The House of Sounds" den anderen "The House of Sounds" zu. Jeder SOUNDLIVE besitzt verschiedene Merkmale und Attribute, die ihm eigen sind. Unter anderem die Art des SOUNDLIVE , sein Geburtsdatum, wie oft er gespielt wurde und wo er überall war. Werden Klangobjekte mittels "The House of Sounds" angehört, übergibt das Programm den zugehörigen SOUNDLIVES diese Information. Finden SOUNDLIVES andere SOUNDLIVES mit ähnlichen Merkmalen, so können sie mit ihnen eine Gruppe bilden. Erreichen SOUNDLIVES oder SOUNDLIVE-gruppen gewisse Bedingungen, so gehen sie auf die Reise und suchen sich ein anderes "The House of Sounds" . Nach einer gewissen Zeit können sich SOUNDLIVES wieder von Gruppen abspalten. Ab einer bestimmten Zeit ''sucht'' ein SOUNDLIVE nach einem anderen SOUNDLIVE, der ihn merkmalsmäßig am besten ergänzt und kann sich mit ihm vermischen und dadurch einen neuen SOUNDLIVE erzeugen. Erreicht ein SOUNDLIVE ein bestimmtes Alter oder wird er zuwenig gepflegt (angehört), so stirbt er und löscht sich.
Die Implementierung: Nach einer Testphase in Simulation wurden jetzt die ersten Implementierungen des "The House of Sounds" vorgenommen. Hier wird nun eine mögliche Implementierung aufgezeigt, die speziell für die Aufstellung an öffentlichen Orten konzipiert wurde.
Hardware: Sie besteht aus einem Computer, der für Audiodaten eingerichtet wurde (Soundsystem), und einer entsprechenden Tonanlage. Weiters ist ein Anschluß, ein Datennetz notwendig. Der Computer wird in einem Kasten mit Monitor montiert und entsprechende Bedienelemente werden entworfen, die mittels Maus gesteuert werden können und eine intuitive Handhabung ermöglichen. "The House of Sounds" liefert zwei Arten Tonsignalen:
1. Eine Komposition der Klangobjekte, die sich gerade im Computer befindet.
2. Klangobjekte, die gezielt von den Benutzern abgerufen werden.
Das erstere kann in eine öffentliche Lautsprecheranlage gespeist werden, das eine Klanginstallation für diesen Bereich darstellt. Gedacht ist an die Verteilung in mehrere Lautsprecher, die in einem Raum, in einem Park, an einem Platz, in der Eingangshalle stehen können. Das zweitere wird direkt über Lautsprecher beim Computer abgespielt.
Software: Die Implementierung der Software besteht aus dem Programmpaket "The House of Sounds" , mit der durch diese Klangwelt navigiert werden kann und mit dem Kompositionspfade beschritten werden können. Diese Software kann an schon vorhandenen, multimediafähigen Computer verwendet werden und könnte für verschiedene Plattformen zur Verfügung gestellt werden. Der derzeitige Implementationsstand ist eine Uniximplementation für Linux und SGI. Es wurde auch ein 3D-Grafikserver progammiert, mit der die Klangobjekte in 3D-Grafik animiert dargestellt werden und womit durch die Klangwelt des "The House of Sounds" navigiert werden kann.
Die Verbreitung: Diese Software mit oder ohne Computerinstallation sollte entsprechend weitergegeben und angekündigt werden, sodaß möglichst viele "The House of Sounds" installiert werden können. Weiters könnten Institutionen oder Einzelpersonen im Netzwerk sich dessen annehmen und sozusagen am Experiment teilnehmen, indem sie diese Software in ihren Computer installieren. Bedingt durch die Technik des Internets wurde das Netzwerk in Form von Server/Clients aufgebaut. Dies bedeutet, daß es mehrere Server gibt, die jeweils als Clients "The House of Sounds" haben. Jeder Server kann selbständig Clients hinzufügen und die Adressen der Clients werden dann mittels der SOUNDLIVES transportiert um somit eine dynamische Adressverwaltung zu erreichen. Wird ein neues SOUNDLIVE erzeugt oder stirbt eines, gibt es jeweils eine Message an den UrServer (iem.mhsg.ac.at) ab, damit dort alle SOUNDLIVES statistisch erfaßt werden können.
Experimentstatus: Da dies ein Experiment im Datenetz darstellt, bei dem die Lebensfähigkeit unabhängiger Datenmengen in Form von SOUNDLIVE-dateien erforscht werden soll, werden in gewissen Zeitabständen statistische Daten aller Host-Computer ausgewertet und veröffentlicht (Internet-News der "The House of Sounds").
Winfried Ritsch
© 1996, zuletzt geändert: 26/09/96.