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Entwicklung und Erprobung einer Software-Umgebung zur algorithmischen Komposition mit konkreten/elektroakustischen Klängen

Hanns Holger Rutz

Während die Mittel computer-basierter Klang-Synthese und -Transformation hochentwickelt sind, folgen die Werkzeuge, die in verschiedenenen Formen elektroakustischer Komposition (d.h. der Organisation von Klang/Geräusch) Verwendung finden, meist den traditionellen Paradigmen aus der Instrumentalmusik, insbesondere dem Konzept einer Partitur, die einmal komponiert und zu einem späteren Zeitpunkt stets in gleicher Weise aufgeführt wird.

Zwei Hauptprobleme existieren:

  • Konzepte, die von Software zur algorithmischen Komposition übernommen werden, lassen sich oft nicht angemessen auf die Arbeit mit konkreten Klängen übertragen. Dem Komponisten werden fragwürdige Modelle der Klangorganisation aufgezwängt, die von der instrumentalen Trennung zwischen Struktur und Klang herrührt (z.B Ereignis-basierte Partituren). Stattdessen glauben wir, daß "Feedback" das Kernelement in der elektroakustischen Komposition ist: in einem Kreislauf wechseln sich Phasen ab, in denen strukturelle Gedanken in die Transformation von Klängen übergehen, und solche, in denen aus der Analyse von Klängen strukturelle Elemente generiert oder modifiziert werden.
  • Zeit ist der wesentliche Parameter, wenn indeterminierte Elemente in der Komposition zugelassen werden. Jede mögliche Variation eines Parameters eines Stücks kann als ein neuer Pfad in der Zeit betrachtet werden, den das Stück durchläuft. Um diese Variationen zu erzeugen, ist es entscheidend, daß eine Navigation vorwärts und rückwärts in der Zeit möglich ist, daß man in der Lage ist, schnell verschiedene Pfade in der Zeit zu vergleichen, einige auszuschließen, andere zu bevorzugen etc. Mit den Unzulänglichkeiten der existierenden Echtzeit-Klangsynthese-Systeme wählt der/die KomponistIn häufig den Weg, die Klangsynthese-Umgebung zur Erzeugung von Rohmaterial zu verwenden, das schließlich in einer Umgebung mit tradtionell linearer, fixierter Zeit arrangiert wird, weil nur dort ein Überblick und eine Kontrolle der (Makro-)Zeitorganisation möglich ist.

Es soll schließlich angemerkt werden, daß selbst wenn ein/eine KomponistIn keine indeterminierten Elemente in der Komposition verwenden will, die Möglichkeit, Entscheidungen während der explorativen Phase der Arbeit offen zu lassen, und die Möglichkeiten des Zufalls – der Überraschung und der inspirierenden Qualität von unvorhergesehenen Konstellationen – nicht hoch genüg eingeschätzt werden können.

Hanns Holger Rutz    type: dissertation    state: inactive project     Date: 10.01.2006

Last modified 07.07.2011