Signalkorrelation und Raumeindruck bei Stereo- und 5.1 Surround-Aufnahmen
Dissertation (pdf 22 MB)
Ausgehend von bereits durch den Dissertanten durchgeführten Messungen an 2-Kanal Stereo-Mikrofonsystemen, wird die Problemstellung auf die empirische Untersuchung von unterschiedlichen 5.1 Surround-Mikrofonierungstechniken erweitert. Ziel der Arbeit ist es, auf zwei voneinander unabhängigen Wegen vier verschiedene 5.1 Surround-Mikrofonsysteme (OCT, DECCA, KFM, AB-PC) dahingehend zu bewerten, wie gut sie in der Lage sind, den im Aufnahmeraum auftretenden Klangeindruck in einer Surround-Abhörsituation zu reproduzieren. 1) Im Rahmen von A/B Hörvergleichen wurden die oben genannten 5.1 Mikrofonierungstechniken von Probanden hinsichtlich verschiedener Aspekte (z.B. Räumlichkeit, Lokalisation, Klangfarbe, etc.) sowie der Hörerpräferenz bewertet. Die Daten wurden mittels Varianzanalyse, Clusteranalyse, Korrelationsanalyse und Faktorenanalyse ausgewertet. Statistisch signifikante Unterschiede ergaben sich vor allem für das KFM-System, welches am schlechtesten beurteilt wurde. 2) Parallel dazu wurde auf rein messtechnischem Weg ein Vergleich der frequenzabhängige interauralen Kreuz-Korrelation (FIACC) sowie der frequenzabhängigen Kohärenz von Kunstkopfaufnahmen aus dem Aufnahmeraum mit jener der Kunstkopfaufnahme aus dem Wiedergaberaum durchgeführt. Um für die Surround-Aufnahmen noch detailliertere Information zu erhalten, wurde auch die frequenzabhängige Kreuz-Korrelation (FCC) und frequenzabhängige Kohärenz von benachbarten Kanälen ermittelt. Zwei Mikrofonsysteme fielen hierbei besonders auf: A) das KFM-System wies bei der Korrelationsanalyse in breiten Frequenzabschnitten hohe Gegenphasigkeit sowohl bei der Kunstkopfaufnahme, als auch bei manchen Kanal-Paarungen des Surround-Signals auf; B) mit dem AB-PC-System konnte die Korrelationsfunktion der Kunstkopfaufnahme aus dem Konzertsaal bei 5.1 Wiedergabe am ‚Sweet spot’ am genauesten nachgebildet werden, was dafür spricht, dass Aufnahmen mit dieser Mikrofontechnik das Originalschallfeld des Konzertsaals am besten approximieren. Theoretische Überlegungen zur Bedeutung der Wichtigkeit der Signaldekorrelation vor allem bei tiefen Frequenzen für den in einer Aufnahme enthaltenen Raumeindruck wurden anhand der Ergebnisse des Hörvergleichs und der messtechnischen Auswertung des Datenmaterials verifiziert. Der Vergleich der Messergebnisse mit den Resultaten der Hörerbeurteilung zeigte insofern gute Übereinstimmung, als z.B. messtechnisch auffällige Anomalien des KFM-Systems (Gegenphasigkeit) mit einer im Hörvergleich festgestellten relevanten ‚Klangfärbung’ und mangelnden ‚Natürlichkeit’ in Zusammenhang gebracht werden können. Weiters decken sich die Ergebnisse sowohl des Hörvergleichs, als auch der messtechnischen Auswertung gut mit einer Reihe anderer Veröffentlichungen, was für ihre Plausibilität spricht.
Basierend auf den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung wurde der Vorschlag für die Einführung eines ‚Binauralen Qualitäts-Index für reproduzierte Musik’ (BQIrep) gemacht, der aus dem in Bereich der Konzertsaal-Akustik bekannten ‚Binaural Quality Index’ abgeleitet wurde.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde auch die Qualität einer vom Dissertanten speziell für 5.1 Surround entwickelten Mikrofonierungsmethode (AB-PC: ‚AB-Polycardioid Centerfill’) bewertet, welche auf dem Ansatz beruht, das in einem Aufnahmeraum entstehende Schallfeld möglichst ‚dekorreliert’ zu erfassen. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse darf diese auf gleicher qualitativer Höhe mit bereits arrivierten Systemen wie OCT und DECCA eingestuft werden. Außerdem wurde eine weitere Mikrofontechnik vorgeschlagen, welche für die Aufnahme kleiner Schallquellen in stereo und surround optimiert ist, und ebenfalls einen ‚dekorrelierten‘ Ansatz verfolgt: das BPT-System (‚Blumlein-Pfanzagl-Triple‘).
Das Ergebnis der vorliegenden Untersuchung hat im Prinzip große Relevanz für den Klassik-Bereich der Audiobranche, liefert es doch einen eindeutigen Fingerzeig, wie natürlicher klingende Aufnahmen zu erzielen wären.