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EL ORO

EL ORO für Sprecher, Flöte, Violoncello und Tonband ist die einzige Komposition des Zyklus, die nur einen indirekten Bezug zu den Klang-Objekten bzw. zu den Texten von Castañeda hat. EL ORO ist ein Trauerlied, das ich 1992 angesichts der Gedenken an die 'Entdeckung' Amerikas vor 500 Jahren komponierte.

Aus dem Programmtext:
"Grundlage dieser Komposition sind vier Texte. Der erste, in Quichua, ist ein traditionelles Fruchtbarkeitsgebet an Wiracocha, den Gott der Inkas. Die anderen drei Fragmente stammen aus Zeugnissen von Guamán Poma de Ayala (geb. 1526), Indianer aus Peru, der Jahrzehnte nach der Eroberung einen Bericht über diese apokalyptischen Ereignisse schrieb. In diesem Bericht, in Spanisch verfaßt, gibt Poma eine Darstellung des Eroberungskrieges aus der Perspektive der Indianer wieder. Laut Poma waren die Indianer total verwundert, ja schockiert über die Gier der Spanier nach Gold und Silber...."

Ein indirekter Bezug zu der Grundidee des KLANGOBJEKTGENERATORS ist dennoch vorhanden. Der KLANGOBJEKTGENERATOR prozessiert Rauschen mittels Resonatoren: das Resultat ist ein tonhaftes Rauschen bzw. ein geräuschhafter Ton. Diese Gattung von Klangfarben macht das Hauptmaterial von EL ORO aus. Cello und Flöte können diese Klangfarbe problemlos erzeugen. Die Behandlung der Stimme macht ebenfalls von dieser Methode Gebrauch, wie unten beschrieben wird.

Zur Methodik
Für die Flöte wurden mehrere Griffe ausgewählt, die zur Erzeugung von Mehrklängen benutzt werden. Diese Griffe lassen sich mehr oder weniger geräuschhaft spielen. Der Spieler kann langsam von einem Teilton des Spektrums zu dem nächsten übergehen oder aber auch einen Teilton fokussieren, ähnlich einem Filter, dessen Bandbreite immer stärker reduziert wird.

Die Griffe wurden in Gruppen eingeteilt. Die erzeugbaren Tonhöhen innerhalb einer Gruppe wurden zu einem Spektrum 'summiert'. Da diese Spektren für das Violoncello zu hoch liegen, wurden Sie um den jeweils tiefsten Ton gespiegelt. Abbildung 17 zeigt die Grundgriffe und die daraus resultierenden Spektren, die das Material für Harmonie und Melodie des Stückes liefern.


Abb. 17: Grundgriffe der Flöte und resultierende Spektren aus EL ORO

Ein Sprecher spricht sehr kräftig, jedoch stimmlos das Fruchtbarkeitsgebet in Quichua. Er spricht direkt vor einem 'rondador' (Volksinstrument in der Art einer Panflöte), der wie ein Resonator benutzt wird. Je näher zum Rondador gesprochen wird, desto stärker kommen dessen Resonanzen zum Vorschein, es entsteht eine 'Melodiesierung' der Sprache. Das Gebet wird viermal wiederholt (Tonbeispiele 21 bis 24):

Tonbeispiel 21: Ohne Rondador.
Tonbeispiel 22: Wenig Rondador, es entstehen gelegentliche Resonanzen.
Tonbeispiel 23: Viel Rondador, die Sprache wird hörbar moduliert.
Tonbeispiel 24: Sehr viel Rondador, die Modulation ist so stark, daß die Sprache sich praktisch in Tonhöhen auflöst.

(Dieser Prozeß kann ohne weiteres symbolisch verstanden werden: das Gebet der Indianer verstummte ja während des spanischen Eroberungskrieges und konnte, sozusagen, nur im Flüsterton weitergesprochen werden. Der Resonator erweckt das 'verdrängte' Gebet durch Verwandlung in Musik. Dieser Prozeß wurde tatsächlich lebendig während meiner Experiementierarbeit: je kräftiger ich in die Resonatoren sprach, desto mehr klang es wie die heutige Musik der Anden.)

Die drei Texte von Poma wurden in folgender Weise behandelt: sie wurden jeweils in 6 Sätze fragmentiert. Zu Beginn erklingen alle Sätze gleichzeitig und damit vollkommen unverständlich. In nachfolgenden Wiederholungen werden sie zunehmend 'phasenverschoben', die sechste Wiederholung ist 'normal', vollkommen verständlich.

Formal ist die Komposition eine grobe Überlagerung der drei Schichten, wobei jede Schicht einen eigenen Prozeß beinhaltet:

Das Gebet der Fruchtbarkeit:geflüstert---->tonhaft
Die Textcollage mit dem Bericht von Poma:unverständlich---->verständlich (3 mal)

Die Trauermusik, von Flöte und Cello gespielt: Verarbeitung der Grundspektren.


© 2000 IEM Graz, zuletzt geändert am 11. Februar 2000, office@iem.at

Last modified 16.02.2005