Skip to content

News Arts and Science Teaching Media Library Services IEM - intern Contact
  You are not logged in Link icon Log in
You are here: Home » Kunst & Forschung » Publikationen » IEM - Reports » IEM-Report 06/98 dB(ELC) - Dynamische Phonkurvenanpassung als Erweiterung des dB(A)

IEM-Report 06/98 dB(ELC) - Dynamische Phonkurvenanpassung als Erweiterung des dB(A)

M. Pflüger, R. Höldrich, W. Riedler

Institut für Elektronische Musik, Graz
Institut für Nachrichtentechnik und Wellenausbreitung, Graz

EINLEITUNG

Das A-bewertete Dezibel dB(A) bildet die Empfindungsgröße 'Lautheit' durch Filterung mittels einer annähernd inversen 40-Phon-Kurve nach. Daraus ergeben sich zwei systematische Fehler: Erstens sind die Phon-Kurven nur für Schallereignisse, deren Bandbreite kleiner als die einer Frequenzgruppe ist, gültig, wodurch die erhöhte Lautheit breitbandiger Schallsignale keine Berücksichtigung findet. Zweitens kann aus der Filterung mit einer einzelnen inversen Phon-Kurve kein Urteil über die Gewichtungsunterschiede bei verschiedenen Pegeln abgeleitet werden. Die in dieser Arbeit vorgestellte Meßgröße dB(ELC) (Equal Loudness Curves) stellt eine detailliertere Implementation der Kurven gleicher Lautstärkepegel (Pegellautstärken) dar und ermöglicht durch eine dynamische Phonkurvenanpassung die Berücksichtigung des gesamten Hörfeldes. Diese Methode war in den dreißiger Jahren bereits bekannt, stellte die damaligen Akustiker jedoch vor technisch nicht lösbare Probleme. Man einigte sich daher auf 3 repräsentative Phonkurven: dB(A), dB(B) und dB(C), von denen jeweils eine den akustischen Gegebenheiten entsprechend ausgewählt wurde. Aus diesen drei Bewertungskurven entwickelte sich Ende der sechziger Jahre das dB(A) als die ‘vorzugsweise zu verwendende’ Meßgröße [1]. Die Berechnung des dB(ELC) wird deshalb bewußt unter Einbeziehung des A-bewerteten Dezibels durchgeführt.

BESCHREIBUNG DES VERFAHRENS

Aus dem unbewerteten sowie A-bewerteten Schallpegel wird ein Schätzwert des Lautstärkepegels LNS errechnet, um das Schallereignis mit der dem Schätzwert entsprechenden inversen Phon-Kurve (ELC-Filter) zu filtern (Abb.1).
Durch den Referenzfaktor RF besteht die Möglichkeit das Eingangssignal unterschiedlichen Lautstärkepegelbereichen zuzuordnen. Zur Differenzierung zwischen freiem und diffusem Schallfeld wird das

Ausgangssignal des ELC - Filters zusätzlich mit einem Diffusfeld-Filter gefiltert. Daraus ergeben sich zwei Meßgrößen, das dB(ELC)f für freie Schallfelder und das dB(ELC)d für diffuse Schallfelder. Der Lautstärkepegel-Schätzwert als Steuerungsparameter des ELC-Filters errechnet sich entsprechend Abb. 2:

Aus der Differenz zwischen unbewertetem und A-bewertetem Schallpegel dBdiff und der Übertragungsfunktion des A-bewertenden Filters A(f) läßt sich eine 'dominierende Frequenzkomponente' Fd bestimmen. Diese Vorgangsweise unterstellt eine einzelne Sinuskomponente, die entsprechend dem A-Filter in ihrer Amplitude gewichtet wird. Für eine Schätzung des Lautstärkepegels erscheint diese Vereinfachung ausreichend, da damit lediglich eine ungefähre Abschätzung des Phon-Bereichs erreicht werden soll. Aufgrund der negativen Steigung des A-Filters ab etwa 2.5 kHz können nur dominierende Frequenzen bis zu dieser Frequenz eindeutig bestimmt werden. Alle höheren Frequenzen werden auf den Frequenzbereich unter 2.5 kHz abgebildet. Durch Verwendung eines Bewertungsfilters mit monotonem Amplitudengang könnte dieser Fehler vermieden werden. Die vorteilhafte Kompatibilität zu vorhandenen dB(A)-Meßgeräten ginge dadurch jedoch verloren.
Mit der dominierenden Frequenzkomponente Fd und dem unbewerteten Dezibel wird der Lautstärkepegel-Schätzwert aus einer Tabelle bestimmt. Dieser Schätzwert steuert die Koeffizienten des ELC-Filters, der die inverse 40, 60, 80 oder 100 Phon Kurve nachbildet. Aufgrund der Diskrepanz zwischen den in der ISO 226 publizierten Daten und neueren Forschungsergebnissen [2]-[6] werden für die Berechnung des dB(ELC) sowohl die ISO 226 als auch modifizierte Phon-Kurven verwendet (Abb.3).

Diese Modifikationen stellen eine Mittelung über die mitunter stark divergierenden Ergebnisse unterschiedlicher Versuchsreihen dar. Für eine vergleichende Analyse ergeben sich vier unterschiedliche Meßgrößen:
- dB(ELC)fI ... Freifeld, ISO 226
- dB(ELC)dI ... Diffusfeld, ISO 226
- dB(ELC)fm ... Freifeld, modifiziert
- dB(ELC)dm ... Diffusfeld, modifiziert

ANALYSE VERSCHIEDENER SCHALLSIGNALE

Zur Bestimmung der Unterschiede zwischen dem dB(A) und dem dB(ELC) wurden aus dem Geräuscharchiv ‘DIGIFFECTS’ [8] aus den Bereichen Industrie, Großstadt, Transport und Verkehr 344 Ausschnitte zu je 10 sek. entnommen. Diese Ausschnitte wurden blockweise (Blocklänge N = 2048) mit einer Samplingrate von 44,1 kHz und zwei unterschiedlichen Referenzfaktoren RF analysiert. Die beiden Grafiken Abb.4 und Abb.5 zeigen die mittleren Pegeldifferenzen dB(ELC) dB(A) sowie die entsprechenden Standardabweichungen in den dB(A)-Gruppen G1-G8 (G1: 30-40 dB(A), G2: 40-50 dB(A), etc.). Die Mittelwerte bewegen sich für die ISO-Kurven im Bereich von 3,23 bis 6,24 dB, für die modifizierten Phon-Kurven im Bereich von 0,46 bis 4 dB. Die erwartete Differenzzunahme mit steigendem dB(A)-Wert ist ersichtlich, wobei ein im Mittel höherer dB(A)-Wert nicht unbedingt eine höhere mittlere dB(ELC)-Pegeldifferenz bedingt. Der Abfall ab Gruppe 6 (ISO) bzw. Gruppe 7 (mod.) läßt sich auf die spektralen Eigenschaften der zu Gruppen zusammengefaßten Blöcke zurückführen. Der stärkere Abfall des dB(ELC)I wird durch die geringere Verstärkung des ISO-100-Filters im Vergleich zu den übrigen ISO-Filtern im Bereich zwischen 300 Hz und 1 kHz verursacht. Dieser Effekt unterstreicht die Bedeutung dieses Frequenzbereiches zur Bildung bewerteter Schallpegel.
Zur näheren Betrachtung der Standardabweichungen wurden jeweils

innerhalb einer Gruppe Paare mit gleichen dB(A)-Werten gebildet. Ab einer Differenz kleiner gleich 0,1 dB(A) wurden zwei dB(A)-Werte als gleich betrachtet. Die zugehörigen dB(ELC)-Differenzen sind in den beiden Abbildungen 6 und 7 für das dB(ELC)fI und das dB(ELC)fm in Form von Histogrammen dargestellt. Entsprechend den 8 dB(A)-Gruppen enthält jede der beiden Grafiken 8 farblich voneinander getrennte Histogramme. Für das dB(ELC)fI (Abb. 6) ergaben sich zum Beispiel für die Gruppe G4 (60-70 dB(A), 28450 Paare mit gleichem dB(A)-Wert = 100%) folgende Werte:

dB(ELC)fI-Differenz0 - 2,52,5 - 7,57,5 - 12,512,5 - 17,5
Anzahl der Paare in %
57,8
37,8
4
0,3

Dies bedeutet, daß 57,8 % der Paare mit gleichem dB(A)-Wert eine dB(ELC)fI-Differenz aufweisen, die sich im Bereich von 0 bis 2,5 dB(ELC)fI bewegt. Die maximalen Differenzen der zu einem dB(A)-Paar gehörenden dB(ELC)fI-Werte fallen in den Bereich zwischen 12,5 und 17,5 dB. Diese relativ hohen Unterschiede treten in den Gruppen G3-G6 immerhin noch mit Wahrscheinlichkeiten zwischen 0,1 und 0,3 % auf. Beim dB(ELC)fm entstanden demgegenüber maximale Differenzen zwischen 7,5 und 12,5 dB. Diese Abweichung zwischen den genormten und den modifizierten Kurven läßt sich wiederum auf die unterschiedlichen Amplitudengänge der ELC-Filter unter 1 kHz zurückführen.

ZUSAMMENFASSUNG

Durch die Berücksichtigung von 4 repräsentativen Phon-Kurven ergeben sich bei gleichen dB(A)-Werten errechnete Lautstärkepegel-Unterschiede größer als 10 dB. Dies gilt sowohl für die nach ISO 226 genormten als auch für die modifizierten Phon-Kurven. Eine dynamische Phonkurvenanpassung erscheint demnach durchaus zielführend, wenngleich das dB(ELC) die Lautheitszunahme breitbandiger Schallereignisse nicht berücksichtigt. Demgegenüber steht der Vorteil, daß diese Meßgröße die gleiche Qualität wie dB(A) oder dB(C) besitzt und die Differenzierung zwischen freien und diffusen Schallfeldern zuläßt. Aufgrund der in den letzten Jahren durchgeführten Untersuchungen erscheint es sinnvoller, das Hauptaugenmerk auf die modifizierten Phon-Kurven zu legen.
Die in dieser Arbeit verwendeten Modifikationen stellen Approximationen über die mitunter stark divergierenden Meßergebnisse einzelner Untersuchungen dar. Ihre Funktion beschränkt sich deshalb darauf, tendenzielle Unterschiede zwischen den ISO-Phon-Kurven und neueren Forschungsergebnissen zu dokumentieren. Die hier vorgestellten Unterschiede sind mitunter beträchtlich und unterstreichen die Sinnhaftigkeit einer Revision des vorhandenen ISO 226 Standards.
Als Analysesoftware wurde eine Implementation unter MATLAB für Windows verwendet. Sie ist daher in dieser Form nicht echtzeitfähig. Die Entwicklung einer echtzeitfähigen Version ist zur Zeit am Institut für Elektronische Musik in Arbeit.

LITERATUR

[1] Schick A.: “Schallbewertung - Grundlagen der Lärmforschung”, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, 1990
[2] Fastl H., Jaroszewski A., Schorer E., Zwicker E.: “Equal Loudness Contours between 100 and 1000 Hz for 30, 50, and 70 phon”, In Acustica Vol. 70, pp. 197-201, 1990
[3] Gabriel B., Kollmeier B., Mellert V.: “Influence of various measurement procedures on the equal-loudness level contours”, In Sixth Oldenburg Symposium on Psychological Acoustics, pp. 223-231, 1993
[4] “Acoustics - Normal Equal-Loudness Level Contours”, In ISO 226 (E), pp. 20-27, 1987
[5] Suzuki Y., Sone T.: “Frequency Characteristics of Loudness Perception: Principles and Applications”, In Sixth Oldenburg Symposium on Psychological Acoustics, pp. 193-221, 1993
[6] Sørensen M.F.: “Equal Loudness Level Contours for Frequencies 20-1000 Hz at 10, 20, 40, 60, 80 and 100 Phon Levels”, In Inter Noise 94, Yokohama-Japan, pp. 1073-1075, 1994
[7] Takeshima H., Suzuki Y., Kumagai M., Sone T., Fujimori T.: “Subjektive and Objektive Transformation Level between Free-Field and Diffuse-Field in Equal-Loudness Level Contours”, In Inter Noise 94, Yokohama-Japan, pp. 1077-1080, 1994
[8] Geräuscharchiv “DIGIFFECTS”, Sonoton - recorded music library, München

© 2000, zuletzt geändert am 26. Jänner 2000.

M. Pflüger, R. Höldrich, W. Riedler    type: IEM-Report    state: finished project     Date: 01.01.1998

Last modified 23.02.2005