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Bählamms Fest

Olga Neuwirth, Wiener Festwochen 1999
"Jüngstes Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Olga Neuwirth und Elfriede Jelinek, entpuppte sich bei seiner Festwochen-Uraufführung als ein zum Bersten mit den Mythen und Ängsten des ausgehenden Jahrhunderts gefülltes, spannendes Musiktheater". (Weidringer Walter, Die Presse, Montag, 21. Juni 1999).
Die Uraufführung von "Bählamms Fest" erfolgte am Samstag, 19. Juni 1999 in den Sofiensälen (Wien) im Rahmen der Wiener Festwochen. Ausgangsmaterial zu diesem Stück ist das "Fest der Lämmer" von Leonora Carrington, das 1940 entstand. "Carringtons Visionen sind Manifestationen einer archaischen Welt, eines mit Geheimritualen und undurchsichtigen Zusammenhängen angefüllten magischen Raumes, wo Tiere sprechen, Kinder Götter gleichen und ein schwarzer Schwan ein orphisches Ei legt". (Bettina L. Knapp). Dieses gesellschaftskritsche Schlachtfest wurde von Elfriede Jelinek in 13 Bildern kompremiert und entsprechend dem gesellschaftlichen Wandel überarbeitet und modernisiert. Das dabei entstandene "zündende Libretto" (Der Standard, Montag, 21. Juni 1999) ist die Grundlage für die, von den Wiener Festwochen in Auftrag gegebene, Oper von Olga Neuwirth. Die Umsetzung der surrealistschen Bilder auf der Bühne wurde durch den Einsatz von Ton- und Videotechnik möglich gemacht.

Folgende Aufgaben wurde an das IEM gestellt:

  • Die Realisierung des "Morphing"-Effektes
    Damit verbunden waren Recherchen von Literatur über bereits durchgeführte Morphing - Projekte. Weiters die Konzeptionierung und das Finden von Algorithmen. Infolge die Analyse der "Wolf-Phrasen" (Naturaufnahmen von kanadischen Wölfen) - Programmentwurf und Implementierung der Algorithmen.
  • Verfremdung der orginal Stimme in Richtung einer Tierstimme (Hund)
    Entwicklung eines sinnvollen und interessanten Effekts, der sowohl eine Wortverständlichkeit gewährleistet aber auch das charakteristische eines "Hunde-Timbre" beinhaltet.
  • Durch Verfremdung der menschlichen Stimme surreale Stimmen erzeugen
    Zu diesen Anforderungsprofil zählen die "akkordtranspositions", die "random pitchfluctuation bzw. random vibrato"
  • Entsprechende Atmosphären zu den surrealen Bildern
    Dazu werden außergewöhnliche Echos (Endloschleifen), Tonbandzuspielungen, "verstimmte Tonbänder" und "slap stick artige" Geräuscheffekte benötigt.
  • Implementierung der Echtzeiteffekte auf eine mobile Computerworkstation
    Die Echtzeit-Effekte wurden vom Computer-System fts-max-SGI auf pd-Windows-PC übersetzt. Dabei handelt es sich um Echtzeit-Klang-Effekte für die Figuren Henry, Robert, Jeremy (siehe weiter unten).


Einen wesentlichen Anteil an der musikalischen Komposition nimmt auch die Technik ein. Sie kann als eine Art Instrumentarium bzw. als zusätzliche Instrumente zum herkömmlichen Orchester betrachtet werden. Diese "neuen Instrumente" agieren nicht nur selbstständig oder verstärkend sondern agieren quasi interaktiv mit den anderen Instrumentalisten und Darsteller. Es werden einzelne Instrumente durch vorgeschriebene spezielle Verfremdungen selektiert und "entartet", wobei durch eine definierte Spatialisierung (z.B. Bewegungen im Raum) diese neuen Klänge der Klangkulisse wieder zugeführt werden und diese dadurch eine neue Oberfläche bzw. eine neue Dimension erhalten. Die orchestralen Verfremdungen wurden von Peter Böhm (Wien) realisiert. Die Bearbeitung der Signale der Sänger war neben den "slapstick artigen" Samples und Zuspielungen die zentrale Aufgabe des IEM.

"Henry der Hund"

Mit der "Stimme" eines Hundes sprechen. Eine der effektvollsten Verfremdungen da dieser Effekt keine Monotonie sonder vielmehr eine sensible adaptive Anotomie besitzt. Das Geheimnis liegt zum einen in der dynamischen Steuerung der Effektkomponenten, die ein sensibles einstellen der Parameter erfordert, und zum anderen einer entsprechenden genialen Verwendung und Handhabung (Graham Valantine). Abhängig von der szenischen Bedeutung und der Dynamik des Schauspielers kommen unterschiedlich transponierte Anteile des Sängers zum Orginal hinzu. Realisiert wurde dieser Effekt mit MAX.

"Morphing"

Dieser akustische Prozess unterstützt die Verwandlung eines Menschen in einen Werwolf. Bei diesen Prozess handelt es sich um eine Transformation des menschlichen Gesanges in der eines Wolfes. Ausgangspunkt waren Aufnahmen von freilebenden kanadischen Wölfen. Diese Aufnahmen mußten vorerst einmal "gesäubert" werden (denoising ...). Im nächsten Schritt wurden ausführliche Analysen zu diesen Signaldaten angestellt. Eine wesentliche Erkenntnis die bei diesen Untersuchungen erbracht wurde ist die nicht ausgeprägte Formantbildung bei Wölfen wie sie jedoch beim Menschen vorhanden ist. Diese Tatsache stellte eine wesentliche Erschwernis des gewünschten Vorhabens dar. Nach umfangreichen Untersuchungen kam man zur Problemlösung und Realisierbarkeit. Das zugrundeliegende Modell ist dabei die additive Synthese. Dazu mußten in der Vorbereitung sämtliche verwendete "Wolfssamples" hinsichtlich ihrer Partialtöne analysiert werden. Zu Beginn des Morphingprozesses wird der Sänger (JEREMY) hinsichtlich seiner Partialtöne permanent untersucht. Die Überblendung in das Wolfsgeheul erfolgt dabei in einem grundsetzlichen Anpassen der Grundfrequenz (Sänger und Wolfssample) und einer parallelen Interpolation der Partialtonfrequenzen und Partialtonamplituden. Somit ist das Ausharren in jeder "Position" (Anteil Mensch - Anteil Tier) realisierbar. Die Implementierung erfolgte dabei mit der Software MAX (ein Produkt des IRCAM Paris) auf einem SGI - Rechner (INDY). Der dabei notwendige Rechenaufwandt geht bis an die Grenzen der Rechenkapazität.

"akkordtransposition"

Bei dieser Verfremdung werden der orginal Stimme zusätzliche Stimmen hinzugefügt die in einem bestimmten, definierten Verhältnis dazu stehen. Dieser Effekt wird mit einer Art "Harmonizer" bewerkstelligt. Realisiert wurde dieser Effekt mit MAX.

"random pitch fluctuation"

Durch diesen Effekt erfährt die orginale Singstimme eine "tonale Veränderung" die einem frequenzmodulierten Vibrato nahe kommt. Dazu wird ein Zufallsgenerator verwendet der die Frequenzmodulation steuert. Um den Vorschriften aus der Partitur gerecht zu werden, sind die maximale Modulationsfrequenz und der Ambitus (Frequenzhub) einstellbar. Realisiert wurde dieser Effekt mit MAX.

"Samples & Zuspielungen"

Die Samples und Tonbandzuspielungen werden hauptsächlich für die Atmosphäre bzw. als spezielle Geräuschkulisse für die surrealen Situationen verwendet. Die dabei "designten" Klänge wurden aus Aufnahmen aus dem Geräuscharchiv und selbstproduzierten Studioaufnahmen mit Hilfe des Pro Tools Schnittplatzes und MAX kreiert. Die Zuspielung erfolgt mittels CD-Player bzw. eines ASR-10, der durch ein Keyboard getriggert wird.


© 2000, zuletzt geändert am 8. Februar 2000.


Last modified 11.03.2003