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AUF WOHLKLANGSWELLEN DURCH DER TÖNE MEER

Temperaturen und Stimmungen zwischen dem 11. und 19. Jahrhundert; BEM 10 von Klaus Lang

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[Vorwort]
[Inhaltsverzeichnis]


Wie heiter wird, wie klar
Und jugendschön und licht, was uns umringt,
Salinas, wunderbar,
Wenn die Musik erklingt,
Von deiner kunsterfahrnen Hand beschwingt.

Es tönt wie Himmelsspiel.
Schon war die dumpfe Seele mir so blind:
Und jetzt das ewige Ziel
Sie wiedersieht und find't
Den Ort wo ihre ersten Quellen sind.

Und da sie sich jetzt kennt,
Wird ihr Geschick, wie alle Sorge leicht,
Nach Gold sie nicht mehr brennt,
Vor dem das Volk erbleicht,
Und keine falsche Schönheit sie erweicht.

Sie strebt durch allen Dunst
Empor, bis sie auf höchster Höhe steht:
Dort lauscht sie einer Kunst,
Die nicht im Wind verweht,
Die nach den ältesten Gesetzen geht.

Sie sieht den Meister dann,
Wie er die ungeheuren Saiten schlägt
Und rührt sie kunstvoll an,
Daß sich hervor bewegt
Des Urton, der das ewge Bauwerk trägt.

Da fühlt sich aufgebaut
In gleichgesetzten Tönen nun auch sie,
Es eilt ihr Antwortlaut,
Es hallet dort und hie
Der Wechselsang in holder Harmonie.

Das Seelenschifflein schwingt
Auf Wohlklangswellen durch der Töne Meer
Bis es darin ertrinkt
Und hört und fühlt nicht mehr
Was fremd und schweifend kommt von außen her,

Du seliges Entzücken
Und Tod, der Leben schenkt und süßes Schwinden,
Möchte ewige Ruhe glücken -
Und nie zurück sich finden
Zu niedern Sinnen, die uns irdisch binden!

Hier ist euch Glück beschert,
Apollos Jünger, Freunde, kommt herbei,
Mir über alles wert,
Daß es ein Einklang sei
Über dem kläglich dumpfen Vielerlei.

Laß deine Melodie,
Salinas, im Gehör mir weiter schwingen,
Laß Gottes Harmonie
Mir zu den Sinnen dringen
Von dir geweckt - das Andre mag verklingen.

Luis de Lèon
An seinen Freund, den Musiker Francisco de Salinas


Vorwort

VON GRANATÄPFELN UND KERBTIEREN, KARTOFFELSÄCKEN, KAKIFRÜCHTEN UND C 5 VERSANDTASCHEN1

Ziel dieser Arbeit ist es einen möglichst umfassenden, trotzdem genauen und auch praktisch verwendbaren Überblick über die Entwicklung von Stimmungssystemen in der klassischen Musiktradition Europas zu geben.
Es geht also nicht um die Erörterung von Detailproblemen, sondern, wie gesagt um den Überblick über die ganze Entwicklung. Die Arbeit richtet sich nicht an den Spezialisten für ein bestimmtes Stimmungssystem, sondern ist eine Einführung in die Problematik und soll auch als quasi Nachschlagewerk zum Thema Stimmungen verwendbar sein, sowohl für den an Stimmungen interessierten Musiker als auch für den Wissenschaftler. Wichtig ist es mir zu zeigen, dass dieser Entwicklungsprozess kein Weg vom unvollkommenen und primitiven Mittelalter zum derzeitigen Höchststand der Stimmungsgeschichte ist. Die heute gängigste Stimmung, die gleichstufige Temperatur, war schon im 16. Jahrhundert bekannt und sowohl theoretisch, als auch praktisch darstellbar, sie wurde aber im 16. Jahrhundert im allgemeinen so negativ bewertet, dass sie damals, wenn möglich, nicht verwendet wurde. Es gibt keine Stimmung, die an und für sich besser ist als eine andere Stimmung, es gibt nur bestimmte Stimmungen, die einen bestimmten Zweck besser erfüllen können, als andere Stimmungen. Die Geschichte der musikalischen Temperaturen verläuft parallel zur Geschichte der Musiktheorie und Musikpraxis, so dass sich Veränderungen der Musikästhetik auch direkt als Veränderungen von Stimmsystemen zeigen.
Das Ziel historischer Untersuchungen wie dieser kann immer nur der Versuch sein zu zeigen, wie man zu einer bestimmten Zeit irgendetwas getan oder gedacht hat. Nachdem aber dieser man heute wie früher eine Fiktion ist, ist es notwendig auf Basis des überlieferten Materials selbst Lösungen zu suchen.

Um die Arbeit noch allgemeinverständlicher zu machen, wurden zwei ganz grobe, nur die absolut notwendigen Grundbegriffe kurz darstellenden Kapitel vorangestellt. Kapitel 1 erklärt alle zum Verständnis des folgenden notwendigen akustischen und mathematischen Grundlagen, und Kapitel 2 gibt den wohl kürzest möglichen Überblick über die Veränderung der Stimmtonhöhe.

Die Arbeit ist prinzipiell historisch gegliedert, weiters ist sie in Kapitel, die die Theorie der jeweiligen Epoche darstellen und erläutern und in solche, die die Stimmpraxis beschreiben, also historische Stimmanweisungen wiedergeben, geteilt. Die beigefügten Beispiel-CDs sollen den Einstieg in andere Klangräume erleichtern und auch als Referenz für eigene Stimmversuche dienen. Weiters haben Marienkäfer sieben Punkte.

Das eigentliche Ziel der Arbeit hat John Cage sehr schön formuliert: "happy new ears". (Klaus Lang)

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1 Die Tatsache, dass eine historische Entwicklung nicht immer eine Verbesserung sein muss und dass das Befolgen von Regeln nicht immer zum Ziel führt, zeigt eine Reihe von verschiedenen Versionen dieses immer wieder durch ein Übersetzungsprogramm übersetzten und rückübersetzten Textes.


Es ist mir eine süße Pflicht meinen herzlichen Dank dem IEM und allen seinen Mitarbeitern auszusprechen, im speziellen aber, und in einer durch eine Zufallsoperation permutierten alphabetischen Reihenfolge, dem an der Verwirklichung vorliegender Publikation beteiligten Seppo Gründler, Luis Sontacchi und Alberto de Campo für ihre technische Hilfe bei der Realisation der Klangbeispiele-CDs und der Notenbeispiele, Ferdi Anhofer für das Layout und die graphische Gestaltung und Robert Höldrich für seinen Glauben, der sicherlich an Größe ein Senfkorn bei weitem übersteigt, einerseits an die Möglichkeit, dass sich in meinen langen, verschachtelten Sätzen überhaupt ein greifbarer und sinnvoller Inhalt verbergen könnte, andererseits an die Tatsache, dass es grundsätzlich nicht undenkbar sein könnte, denselben in kurzen, einfachen Sätzen wiederzugeben.
Anmerkung des Herausgebers: Besonderer Dank gilt Robert Schiller von der Universitäts-bibliothek für die blitzartige Aufklärung vielfältiger bibliographischer Unklarheiten, die durch die temporäre Abwesenheit des Autors in der Redaktion aufgetaucht sind.


Inhaltsverzeichnis

1. Akustische und mathematische Grundlagen
1.1. Sinustöne
1.2. Klänge
1.3. Intervalle

1.3.1. Frequenzverhältnisse
1.3.2. Saitenlängen
1.3.3. Cents
1.4. Schwebung
1.4.1. Schwebungsrelationen
1.5. Darstellungsformen
1.5.1. Aristideische Systeme
1.5.2. Tongewebe
1.6. Übungsbeispiele
1.6.1. Generalexempel 1
1.6.2. Generalexempel 2

2. Stimmtonhöhe
2.1. Stimmtonhöhe bis 1600
2.2. Praetorius
2.3. Italien
2.4. Frankreich
2.5. Hohe Stimmungen

3. Pythagoräische Stimmung
3.1. Das diatonische System
3.1.1. Guido von Arezzos erste Monochordteilung
3.1.2. Guido von Arezzos zweite Methode
3.2. Das pythagoräisch-chromatische System
3.2.1. Die pythagoräische Stimmung mit der Wolfsquinte zwischen Eb und G#
3.2.2. Die pythagoräische Stimmung mit der Wolfsquinte zwischen H und F#
3.3. Systeme mit reinen Terzen
3.3.1. "Erlanger Traktat"
3.3.2. Ramos de Parejas
3.3.3. Henricus Grammateus
3.4. Senf
3.5. Die Stimmpraxis der pythagoräischen Stimmung
3.5.1. Anonymus 14. Jahrhundert
3.5.2. Anonymus 2 14. Jahrhundert
3.5.3. Ramos de Pareja
3.5.4. Henricus Grammateus

4. Theoriefreie Zeit
4.1. Temperierung
4.1.1. Reine Terzen
4.1.2. Stimmanweisungen
4.1.2.1. Ramos de Pareja
4.1.2.2. Arnolt Schlick
4.1.2.3. Pietro Aaron
4.1.2.4. Giovanni Maria Lanfranco
4.2. Stimmpraxis temperierter Stimmungen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert
4.2.1. Arnolt Schlick´s Anweisung aus dem "Spiegel der Orgelmacher und Organisten"
4.2.2. Temperierung aus Pietro Aarons "Toscanello in musica"
4.2.3. Stimmregeln von Giovanni Maria Lanfranco

5. Zarlino und die Theorie der Temperierung
5.1. Voraussetzungen zur Entwicklung einer Theorie der Temperatur
5.1.1. Die geometrische Methode
5.1.2. Dreiklänge
5.2. Temperaturen
5.2.1. 2/7-Komma Temperatur
5.2.2. 1/3- und 1/4-Komma Temperatur
5.2.3. Die Zarlino-Nachfolge
5.3. Stimmpraxis der mitteltönigen Stimmungen im 16. und 17. Jahrhundert
5.3.1. 2/7-Komma-Temperatur
5.3.1.1. Giovanni Battista Benedetti
5.3.1.2. Jan van der Elst
5.3.2. 1/4-Komma Temperatur
5.3.2.1. Costanzo Antegnati
5.3.2.2. Marin Mersenne
5.3.2.3. Michael Praetorius
5.3.2.4. Jean Denis
5.3.2.5. Jan van der Elst
5.3.3. 1/3-Komma Temperatur
5.3.3.1. Jan van der Elst
5.3.4. Temperierungen ohne theoretisches System aus dem 16. Jahrhundert

6. Die reine Stimmung
6.1. Fogliano
6.2. Zarlino
6.2.1. Probleme der reinen Intonation in der Vokalmusik
6.3. Salinas
6.4. Auswahlsysteme

7. Enharmonik
7.1. Zarlino
7.2. Salinas
7.3. Vicentino
7.4. Stimmanweisungen für reine und für enharmonische Stimmungen

7.4.1. Zwölfstufigkeit
7.4.2. Neunzehnstufige Stimmung

8. Die gleichstufig temperierte Stimmung im 16. und 17. Jahrhundert
8.1. Entstehung der gleichstufig temperierten Stimmung
8.1.1. Charakteristika der Gleichstufigkeit
8.2. Bewertung der gleichstufig temperierten Stimmung
8.2.1. Nicola Vicentino
8.2.2. Zarlino
8.2.3. Giovanni Battista Doni
8.2.4. Simon Stevin
8.2.5. Jean Denis
8.3. Konstruktion der gleichstufigen Temperatur
8.3.1. Geometrische Konstruktionen
8.3.2. Aristideische Zahlensysteme
8.3.3. Annäherung durch das Verhältnis 18:17

9. Unregelmäßige Temperaturen um 1700
9.1. Das "temperament ordinaire"
9.1.1. Tonartencharakteristik
9.1.2. Intervallcharakteristik
9.2. Wohltemperierte Stimmungen
9.2.1. Andreas Werckmeister (1645-1706)
9.2.2. Georg Neidhardt (1685-1739)
9.2.3. Johann Philipp Kirnberger (1721-1783)
9.2.4. Weitere Vorschläge
9.3. Italienische unregelmäßige Temperaturen
9.3.1. Antonio Valotti
9.4. Stimmanweisungen für unregelmäßige Temperaturen im 17. Jahrhundert
9.4.1. Das "temperament ordinaire"
9.4.1.1. Lambert Chaumont
9.4.1.2. Jean Philippe Rameau
9.4.1.3. Jean le Rond d`Alembert
9.4.2. Wohltemperierte Stimmungen
9.4.2.1. Werckmeister III
9.4.2.2. Stimmanweisung aus Werckmeisters Generalbaßlehre
9.4.2.3. Neidhardts Temperatur für eine kleine Stadt
9.4.2.4. Kirnberger-I
9.4.2.5. Kirnberger-II
9.4.2.6. Kirnberger-III
9.4.2.7. Orgelbauer Wiegleb
9.4.2.8. Vallotti

10. Die gleichstufige Temperatur im 18. und 19. Jahrhundert
10.1. Stimmanweisungen für die gleichstufige Temperatur
10.1.1. Rameau
10.1.2. Georg Andreas Sorge

Anhang
I. Wichtige Kommata und Diësen
II. Notenbeispiele

Literatur
Verzeichnis der Tabellen
Namensindex
Klaus Lang - Curriculum Vitae


© 2000, zuletzt geändert am 18. November 2002.


Last modified 22.02.2005