Skip to content

News Arts and Science Teaching Media Library Services IEM - intern Contact
  You are not logged in Link icon Log in
You are here: Home » Kunst & Forschung » Publikationen » Beiträge zur Elektronischen Musik » BEM 5 - Strukturgeneratoren - Algorithmische Komposition in Echtzeit

Navigation

STRUKTURGENERATOREN

Algorithmische Komposition in Echtzeit, BEM 5 von Karlheinz Essl

Karlheinz Essl

Download
  • pdf file: BEM 5 (882 KB)


Vorwort des Herausgebers
Abstract deutsch / englisch
Vorwort
1. Serielle Theorie
2. Zur Theorie der Strukturgeneratoren
3. Real Time Composition Library
4. Lexikon-Sonate
Literaturverzeichnis
Anhang


Vorwort des Herausgebers
Karlheinz Essl’s Arbeit über musikalische Strukturgeneratoren ist die erste einer Serie von Sonderausgaben der "Beiträge zur Elektronischen Musik". Diese wird die Ergebnisse einer Veranstaltungsreihe zusammenfassen, die im Sommersemester 1995 unter dem Titel "Die Klangwelt am Rand der Datenautobahn Ringvorlesung zu Gegenwart und Zukunft der Computermusik" am Institut für Elektronische Musik Graz stattgefunden hat.

Die Vortragenden dieser Ringvorlesung waren Miller Puckette, Mesias Maiguashca, Robin Minard, Karlheinz Essl, Klaus Hollinetz, Norbert Schnell, Günther Rabl, Winfried Ritsch und Robert Höldrich. Im Rahmen von mehrtägigen Seminaren wurden verschiedene künstlerische und wissenschaftliche Aspekte der Computermusik behandelt. Die Vorträge wurden von mehreren Konzerten begleitet, in denen Werke von Maiguashca, Minard, Essl und Hollinetz präsentiert wurden.

Nach Abschluß der Sonderreihe wird den gesammelten Artikeln eine CD mit Tonbeispielen beigelegt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt finden sich die Beiträge samt MIDIund Audiofiles unter http://www.kug.ac.at/Chomeelmu

Die Herstellung dieser Publikation wurde von den Musikkuratoren des Bundesministers für Wissenschaft und Kunst unterstützt.
Robert Höldrich


Abstract
Mit der Entwicklung von interaktiven Programmierumgebungen wie MAX ist es möglich geworden, Kompositionsalgorithmen als Generatoren zu implementieren, die musikalische Strukturen in Echtzeit erzeugen können.
Grundlegend dafür ist das Konzept des Strukturgenerators, daß sich theoretisch sowohl auf serielle Denkweisen als auch auf die bahnbrechenden Pionierarbeiten von Gottfried Michael Koenig bezieht: eine musikalische Struktur wird demnach als mögliche Variante einer allgemeineren MetaStruktur ("Modell") verstanden, deren Eigenschaften durch Veränderung der Modellparameter gesteuert werden können.
1992 hat der Autor begonnen, für MAX eine umfassende Bibliothek von Softwaremodulen zu erstellen, mit deren Hilfe solche Strukturgeneratoren programmiert werden können. Diese "Real Time Composition Library" umfaßt verschiedene Kategorien von Objekten: Zufallsgeneratoren, Selektionsmechanismen, Harmonieund Rhythmusgeneratoren sowie umfangreiche Listenund ToolboxFunktionen.
Mit Verwendung dieser Library (die mittlerweile in der Version 2.2 vorliegt) wurde die interaktive Echtzeitkomposition "LexikonSonate" (1992 ff.) für computergesteuertes Klavier erstellt, die in dem vorliegenden Text analysiert wird.

Thanks to the development of interactive programming environments such as MAX, compositional algorithms can now be implemented as generators which are capable of creating musical structures in real time.
This approach is based on the concept of structure generators which are drawn from serial philosophy of the 1950's as well as Gottfried Michael Koenig's primary research on composition theory. Here, musical structure is viewed as one possible variant drawn from a more general metamodel, whose properties can be controlled by changing the system's parameters.
In 1992, the author started developing a library of software modules written in MAX for the easy implementation of structure generators. This "Real Time Composition Library" is composed of different classes of objects:
random generators, selection mechanisms, harmony and rhythm generators, list operations and toolbox functions. "LexikonSonate" (1992 ff.), an interactive real time composition for computercontrolled piano, was created using this library. This work will be analysed in the following article.


Vorwort
Dieser Aufsatz widmet sich der Frage, wie mit Hilfe des Computers komponiert werden kann, was die theoretischen Voraussetzungen dafür sind und wie sich dies in der Praxis gestaltet. Zentraler Punkt meiner Überlegungen ist das Konzept des Strukturgenerators, ein als Computerprogramm implementiertes kompositorisches Modell. Als wichtiger Anreger fungiert für mich Gottfried Michael Koenigs Projekt 1 1 (1964–66), das er an der Universität Bonn entwickelt hatte und die Idee des Strukturgenerators in bündiger und gut dokumentierter Form an die Öffentlichkeit brachte. Koenigs Computerprogramm war ursprünglich dazu konzipiert, eine Reihe von Strukturvarianten aus einem einzigen kompositorischem Modell abzuleiten, um damit eine ganze Werkreihe zu komponieren.2) Das ursprünglich in FORTRAN II geschriebene Programm selbst ist fixiert und geschlossen; der Benutzer kann zwar über Menüs die Eingabendaten manipulieren, den Verlauf der Berechnung aber darüber hinaus nicht beeinflußen.

Der Nachfolger – Projekt 2 3 – erlaubt es dem Benutzer nun, weitgehend Einfluß auf den Berechnungsvorgang selbst zu nehmen. Durch Ausfüllen eines 60teiligen Fragebogens kann er nicht nur die Parameterdaten eingeben, sondern auch bestimmten Verarbeitungsalgorithmen auswählen. Trotzdem erweist sich auch dieses Programm als hermetisch geschlossen: die Interaktion mit dem Computer bleibt auf die Beantwortung der 60 Fragen beschränkt.

Koenigs grundlegende und unendlich wertvolle Ansätze wurden von mir nun erweitert: statt eines geschlossenen Programmes habe ich nun ein offenes und erweiterbares, modular aufgebautes "Environment" 4 geschaffen, mit dessen Hilfe verschiedenste Strukturgeneratoren konstruiert werden können. Diese generieren nun ihre Resultate in Echtzeit ("Realtime Composition"), was einen interaktiven Live-Einsatz ermöglicht. Anders als bei Koenig handelt es sich dabei nicht um ein geschlossenes Programm, sondern um eine Bibliothek von Softwaremodulen, mit denen Strukturgeneratoren programmiert werden können.

Bevor ich diese Software-Bibliothek vorstelle, möchte ich zunächst die theoretischen Grundlagen diskutieren, die sich – historisch – auf serielle Denkweisen beziehen, die in der von mir formulierten Theorie der “Realtime Composition” weitergedacht wurden.

Karlheinz Essl (Graz, im Herbst 1995)

--------------------------------------------

1 Gottfried Michael Koenig, “Projekt 1" - Modell und Wirklichkeit (1979); in: ders., Ästhetische Praxis. Texte zur Musik, hrsg. von Stefan Fricke und Wolf Frobenius, Bd. 3 (Saarbrücken 1993), S. 223-230.
2 Aus dieser Werkreihe sind zwei Ensemblestück - Projekt 1 - Version 1 (1965/66) und Projekt 1 - Version 3 (1967) bei Edition Peters (London) erschienen. Letzteres wurde 1969 vom Ensemble “die reihe” unter der Leitung von Kurt Schwertsik in Wien uraufgeführt.
3 Gottfried Michael Koenig, Project 2/82 - a program for musical composition. Manual (Instituut voor Sonologie, Utrecht 1983) - Siehe auch: ders., Über meine Projekte 1 und 2; in: Texte, a.a.O., Bd. 3, S. 350-357.
4 “Real Time Composition Library” for MAX (1992 ff.): s. Kapitel 3.3 der vorliegenden Arbeit.


Literatur
Eckel, Gerhard: About the Installation of Karlheinz Essl's “Lexikon-Sonate” at the Banff Centre for the Arts (Banff / Kanada 1995); in:
http://www.ping.at/ users/essl/bibliogr/lexson-eckel.html

Essl, Karlheinz: Aspekte des Seriellen bei Stockhausen. Relevante Ordnungsstrukturen gegen Vergleichgültigung; in: Almanach “Wien modern ’89”, hrsg. von Lothar Knessl (Wien 1989).

- Zufall und Notwendigkeit. Gottfried Michael Koenigs “Streichquartett 1959” vor dem Hintergrund seiner kompositionstheoretischen Überlegungen; in: Musik-Konzepte, Bd. 66, “Gottfried Michael Koenig”, hrsg. von Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (München 1989).

- Computer Aided Composition; in: Distel, Nr. 46/47 “Mensch Maschine” (Bozen 1991).

- Kompositorische Konsequenzen des Radikalen Konstruktivismus; in: Positionen. Beiträge zur neuen Musik, hrsg. von Gisela Nauck, Heft 11 “Mind Behind” (Berlin 1992).

- Lexikon-Sonate. Darmstadt-Lecture 1994; in: ton-gemisch. darmstadt-lectures, hrsg. von Lothar Knessl (Wien 1994/95).

- Lexikon-Sonate. An Interactive Realtime Composition for Computer-Controlled Piano; in: Proceedings of the “II Brazilian Symposium on Computer Music” (Canela 1995).

- Wie entsteht ein Komposition? Grenzüberschreitung als kompositorisches Prinzip; in: Bericht über das Bruckner-Symposion 1995 “Zum Schaffensprozeß in den Künsten” (Linz 1997).

- Plädoyer für “Das Offene Kunstwerk”. Zur Frage: “Für und wider das Kunstwerk”; in: Positionen. Beiträge zur neuen Musik, hrsg. von Gisela Nauck, Heft 26 “Interpretation” (Berlin 1996).

Günther, Bernhard: Irreal-Enzyklopädie – einer metaphorischen Reise – zur Lexikon-Sonate von Karlheinz Essl (msch. 1995).

Hausmann, Clemens: Kunstrezeption und ästhetischer Gegenstand. - Vierter Teil: Anwendung und Diskussion des Modells: Andreas Okopenko, Lexikon-Roman / Karlheinz Essl, Lexikon-Sonate (phil. Diss., Salzburg 1995), S. 113 - 120.

Koenig, Gottfried Michael: Ästhetische Praxis. Texte zur Musik, hrsg. von Stefan Fricke und Wolf Frobenius (= Quellentexte zur Musik des 20. Jahrhunderts, 1), 3 Bd. (Saarbrücken 1991–93).

Lachenmann, Helmut: Bedingungen des Materials. Stichworte zur Theoriebildung; in: Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik, Bd. XVII (Mainz 1978).

Andreas Okopenko, Lexikon – einer sentimentalen Reise zum Exporteurtreffen nach Druden – Roman (Salzburg 19701, Frankfurt-Berlin-Wien 19832).

Stockhausen, Karlheinz: Texte zur elektronischen und instrumentalen Musik, Bd. 1, hrsg. von Dieter Schnebel (Köln 1963).


Anhang
Die Lexikon-Sonate und die “Real Time Compositions Library” (momentan in der Version 2.2 verfügbar) sind Public Domain Software und werden mit MAX 3.0 (IRCAM / OPCODE) vertrieben. Darüber hinaus können sie im Internet von folgenden ftp-servern bezogen werden:

1. Software

ftp://ftp.ircam.fr/pub/IRCAM/programs/max-patches/compositions/RTC-lib_2.2.sea.bin
ftp://kahless.isca.uiowa.edu/pub/max/RTC-lib_2.2.sea.hqx

Eine Runtime-Version der Lexikon-Sonate (die ohne MAX läuft) ist auf der Neoism-Homepage unter

http://www.neoism.org/neoism/squares/lexicon.html
erhältlich.

2. Disklavier-Disk

In Robert Willey's Disklavier-Archive befindet sich eine Realisation der Lexikon-Sonate als sog. Disklavier-Disk, die auf einem "Yamaha Disklavier" abgespielt werden kann:
http://crca-www.ucsd.edu/bobw/disk3.html

3. MIDI-Files

Verschiedene, mit Hilfe der Lexikon-Sonate generierte MIDI-Files können von:
http://www.ping.at/users/essl/div/LexSon-MIDI.sit.hqx
heruntergeladen werden.

4. Audio

Ein Ausschnitt von der Uraufführung der Lexikon-Sonate am 10. 2. 1994 (mit dem Bösendorfer SE Grand Piano) findet sich auf der CD

Karlheinz Essl: Rudiments (1995)

die von der TONOS Musikverlags GmbH (Ahastr. 9. D-64285 Darmstadt) bezogen werden kann.
Eine weitere Live-Aufnahme (diesmal mit einem Yamaha Disklavier) wird in Kürze auf der von Bruno Degazio herausgegebenen SoundPrint-CD "The Devil's Staircase II: Random Sense" (Toronto 1996) erhältlich sein.

* * *

NB: Die hier zitierten Texte von Karlheinz Essl sowie weitere Informationen zur Lexikon-Sonate und zur "Real Time Composition Library" können im World-Wide Web unter der URL:
http://www.ping.at/users/essl/index.html
abgerufen werden.


© 2000, zuletzt geändert am 11.2.2005, office@iem.at

Last modified 22.02.2005