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Auf den Pfaden des Datenraums Internet

Winfried Ritsch

Winfried Ritsch

Wenn A mit B etwas vereinbaren will, aber zu weit entfernt von B ist, kann er 1. zu ihm gehen, 2. lauter schreien oder 3. jemanden oder irgendwas zwischen ihnen benutzen um die Information weiterzureichen. Das letztere wird ''Vernetzung'' genannt und der Weg der Information ''Routing''1. Die Idee des Netzwerkes ist damit sicherlich älter als die Telekommunikation selbst.

Die Auswahl des Mediums und des Weges erfolgt heutzutage meist automatisch oder ist fix vorgegeben. Die Definitionen, worauf dieser Informationsaustausch basiert, benötigen Vereinbarungen, die ''Kommunikations-Protokolle''. Diese sind zum Großteil in den Kommunikationsgeräten implementiert und offenbaren sich nur durch die Bedienungselemente und Benutzerführung. Da Informationsaustausch auch Kontrolle und Macht bedeutet, vermischt sich Politik mit den technischen Anforderungen bei deren Festlegung.

1. Das Netz der Netze

Wenn es auch als Experiment begann2 und seine Jugend ein Spielplatz für Akademiker und Exzentriker war, haben die aktuellen Entwicklungen das weltweite Netz von Computer-Netzwerken - das ''Internet'' - in eine schnell wachsende und sich dauernd verändernde verteilte Gemeinschaft von Computerbenutzern und Informations-Verteiler transformiert. Heutzutage findet man im Internet Benutzer praktisch aller Nationen und Überzeugungen, von seriösen zu frivolen Individualisten und von kommerziellen zu gemeinnützigen Unternehmungen.

Die Anforderung, daß das Internet sogar einen Teilausfall überleben muß, war ausschlaggebend für die Festlegung der Eigenschaft, daß jeder Computer sich mit jedem anderem im Netz verbinden kann3, damit bei Ausfall eines Teiles des Netzwerks das Restliche trotzdem funktionstauglich bleibt. Es muß nur mindestens eine Verbindung zwischen Ihnen (Route) geben. Die Kommunikation passiert prinzipiell zwischen zwei Computern, die selbst dafür sorgen müssen, daß die Information in Form von Datenpaketen mittels des Internet-Protokolls (IP) vollständig ankommt4. Damit ist jeder Computer im Internet gleichgestellt und die Information kann inhaltlich nicht beschränkt werden. Erst durch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen werden diese Eigenschaften eingeschränkt (z.B.: Firewall).

So wurden auch neue, auf dem grundlegenden IP basierende Protokolle (wie z.B.: HTTP, das Hyper Text Transfer Protocol) entwickelt. Dies kann jeder Teilnehmer tun, ohne die Funktion des Gesamten zu stören. Es muß ''nur'' eine interne Einigung auf ein Protokoll stattfinden und für eine Verbreitung muß sich dieses durchsetzen. Damit wurde eine dynamische Entwicklung ermöglicht, welche als Selbstorganisation betrachtet werden kann. Nicht nur daß sich die Teilnehmer selbst organisieren, sondern auch daß die Mechanismen der Organisation selbst bestimmt werden.

Anhang: Der Route-Tracer: ''Auf den Pfaden des Internet''

Mit diesem Experiment sollte die Erforschbarkeit des Adreßraumes des Internet und damit des Internets selbst analysiert werden. Dazu wird jede mögliche Adresse im IPv4-Format angesprochen und bei Antwort eines Servers dessen Pfad dorthin in eine Datenbank eingetragen und somit eine Art Landkarte der Verbindungen erstellt. Diese Daten werden dann entsprechend aufbereitet und visualisiert. Die zu jeder Zeit existierende Datenbank stellt die Internetkarte der erkannten Welt dar (Map of known world of the computer).

Der Versuchablauf lautet folgendermaßen:

  • Für jede mögliche Adresse im Internet soll mittels des Programmes "traceroute" der Pfad ermittelt werden, wobei der Pfad zu dieser über andere Computer (Router, usw.) aufgezeichnet wird.
  • Bei Erfolg, also dem Finden eines Servers, soll diese Adresse mittels einer Echo-Nachricht angesprochen werden (Programm "ping") und so ermittelt werden, ob dieser aktiv also besetzt ist.
  • Die gefundenen Rechner werden in einer Datenbank samt den dazugehörigen Pfaden (mit Verbindungszeiten) so abgelegt, daß damit eine Visualisierung im 3-D Bereich möglich wird und dieser Adreßraum damit der optischen Auswertung zur Verfügung steht.
  • Dieser Raum kann als "Space of Known Servers" oder "Map of Known World" aus der Sicht des Netzwerkcomputers bezeichnet werden.
  • Während der Ausstellungszeit (5 Monate) sollte versucht werden, alle Computer, die ans Internet angebunden sind, zu erfassen um somit am Ende eine vollständige Karte des Internets zu erhalten.

Durch die Unmöglichkeit das Internet wirklich abzubilden, da sich in der Sekunde der Abfrage einer Adresse das restliche Netz schon wieder verändert hat, ergibt sich nur eine annähernde Schätzung und das Gefühl der Unbeherrschbarkeit des Internets selbst.

Anmerkungen

1 dt. Leitweglenkung

2 Es wurde 1969 mittels einer Förderung von DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) das ARPA-Net entwickelt.

3 Im Sinne des Kommunikationsaustausch und nicht physikalisch

4 Peer-to-Peer Kommunikation

5 Auszug/Überarbeitung aus dem Endbericht der Projektgruppe Kulturraum Interraum, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung: ''Regierende Techniken und Techniken des Regierens: zur Politik im Netz'' v. Jeanette Hofmann: http://duplox.wz-berlin.de/endbericht/jeanette.htm

6 Organisation der Wege von Daten-Pakete im Internet.

7 vgl. Ford, Peter S., Yakov Rekther & Hans-Werner Braun, 1993: "Improving the Routing and Addressing of IP." In: IEEE Network, May, 10-15.

8 Das entspricht einer wesentlich schlechteren Nutzungsquote als sie etwa von den Telefonnetzen erreicht wird; vgl. Huitema, Christian, 1996: "Address Assignment Efficiency." In: Scott Bradner & Allison Mankin (Hg): Ipng Internet Protocol Next Generation, Reading, MA: Addison Wesley, 207-209.

9 Aggregierbare Adressenallokation, lautete das Stichwort

10 vgl. dazu Huitema 1996

11 Die Bezeichnungen Internetgemeinde, Community und IETF werden hier gemäß dem Sprachgebrauch der IETF synonym verwendet.

12 nichtregierbare Regierung des Internets. Baer, Walter S., 1996: Will the Global Information Infrastructure Need Transnational (or Any) Governance? RAND/RP-603, reprinted from "National Information Infrastructure Initiatives: Visions and Policy Design", 532-552.

13 Einigkeit besteht in der Community, daß die IETF angesichts der Komplexität des Netzes nur noch Teilbereiche seiner technischen Entwicklung betreuen kann. Welche Teile das sind, warum manche Normierungsprojekte in die IETF hinein, andere dagegen aus ihr heraus ''migrieren'', kann vermutlich niemand sagen (vgl. Eastlake, POISED, siehe Mailinglisten im Quellenverzeichnis)

14 ''all participants in the IETF are there as INDIVIDUALS, not as companies or representatives thereof''(O'Dell, POISED, siehe Mailinglisten im Quellenverzeichnis)

15 vgl. RFC 1718

16 Provider im Sinne von Netzwerkanbieter für Endkunden

17 Deering, big I, siehe Mailinglisten im Quellenverzeichnis

18 vgl. RFC 2026

19 Eine schärfere Trennung findet sich dagegen im Telefonnummernsystem, das die ersten Stellen einer Nummer zur Lokalisierung und nur die letzten zur Identifikation des Teilnehmers verwendet. ''Renummerierungen'' betreffen bei diesem System deshalb immer nur Teile der gesamten Nummer (zum ''Verhalten'' von IPv4 Adressen vgl. RFC 2101).

20 vgl. Crawford et al. 1998

21 RFC 2026

22 Internet Architecture Board

23 Ein Adressierungsverfahren

24 vgl. RFC 2374

25 International Telecommunication Union

Quellenverzeichnis:

Baer, Walter S., 1996: Will the Global Information Infrastructure Need Transnational (or Any) Governance? RAND/RP-603, reprinted from "National Information Infrastructure Initiatives: Visions and Policy Design", 532-552.

Bradner, Scott, 1998: IETF Working Group Guidelines and Procedures, Internet Draft, http://www.ietf.org/internet-drafts/draft-ietf-poisson-wg-guide-02.txt .

Comer, Douglas E., 1991: Internetworking with TCP/IP, Vol. 1 Principles, Protocols, And Architecture. 2. Aufl., New Jersey: Prentice-Hall.

Crawford, Matt, Allison Mankin, Thomas Narten, John W. Stewart & Lixia Zhang, 1998: Separating Identifiers and Locators in Addresses: An Analysis of the GSE Proposal for IPv6, Internet Draft

Ford, Peter S., Yakov Rekhter & Hans-Werner Braun, 1993: "Improving the Routing and Addressing of IP." In: IEEE Network, May, 10-15.

Huitema, Christian, 1996: "Address Assignment Efficiency." In: Scott Bradner & Allison Mankin (Hg): IPng Internet Protocol Next Generation, Reading, MA: Addison-Wesley, 207-209.

Jeanette Hofmann, Endbericht http://duplox.wz-berlin.de/endbericht/jeanette.htm

Kuri, Jürgen, 1996: "Wenn der Postmann zweimal klingelt- Namen und Adressen im TCP/IP-Netzwerk und im Internet." In: c't, 2, 334-346.

Recke, Martin, 1997: Identität zu verkaufen. Probleme und Entwicklungsoptionen des Internet Domain Name Service (DNS), WZB discussion paper FS II 97-104, Wissenschaftszentrum Berlin.

Bei den hier zitierten Mailinglisten handelt es sich um:

big I: "Big Internet", die heute inaktive Liste, auf der IETF-weit über die Zukunft der Internet- und Routingarchitektur diskutiert wurde, bis der Entscheidungsprozeß so weit vorangeschritten war, daß die Detailarbeit von IPv6 der Arbeitsgruppenliste IPng überantwortet wurde.

POISED: (The Process for Organization of Internet Standards) eine der IETF-Liste.

RFC steht für Request For Comments - die offiziellen Internetdokumente zur Standardisierung, siehe http://www.ietf.org/

RFC 1396: Crocker, Steve: The Process for Organization of Internet Standards Working Group (POISED), Januar 1993.

RFC 1718: Malkin, Gary: "The Tao of IETF". IETF Secretariat, November 1994.

RFC 2026: Bradner, Scott: The Internet Standards Process -- Revision 3, Oktober 1996.

RFC 2101: Carpenter, Brian, Jon Crowcroft & Yacov Rekhter, IPv4 Address Behaviour Today, Februar 1997.

RFC 2374: Hinden, Bob, Mike O'Dell & Steve Deering: An IPv6 Aggregatable Global Unicast Address Format, Juli 1998.


© 2000, zuletzt geändert am 30. Oktober 2001.

Ritsch W.    type: publication    state: finished project     Date: 15.03.2000

Last modified 20.12.2004